Geschichte und Entwicklung des Glases
Wurzeln des europäischen Glashüttenwesens
Glas des Altertums und aus dem frühen Mittelalter
Die Wurzeln des Glaswesens findet man in der Bronzezeit des4. und 5. Jh. v. Chr.In dieser Zeit enstand Glas als Nebenprodukt der keramischen Herstellung. Direkte Vorgänger des Glases waren Glasglasuren, die keramischen Schmuck und Gefässe schmückten. Das Primat in der Glaserzeugung gehört in den Mittelmeerraum und nicht nach Ägypten, dem man es lange Zeit zugeschrieben hatte. Die ersten Glaserzeugnisse waren Opakperlen in verschiedenen Farben. Die Perlen findet man in Syrien schon im 5. Jh. v. Chr., die ersten Funde aus Ägypten stammen erst aus dem 4. Jh. v. Chr. Auch die ersten Fragmente der Hohlgefässe stammen aus Asien - und zwar aus Mesopotamien, gegen Ende des 16. Jhs. v. Chr. Die Gefässe entsprechen der"Technik des Sandkernes"in der Grösse von ca. 10 cm. Am beliebtesten war"das syrische Glas"und es wurde nicht nur im Römischen Reich sondern auch im Gebiet des Ägäischen Meeres, Italien, Frankreich und Rheinland produziert. Im 2. Jh. drangen die syrischen Glasmacher weiter vor und es enstanden auch im heutigen Spanien, Belgien, in den Niederlanden, in der Schweiz und in Grossbritanien neue Glashütten. Dank dieser Entwicklung ist es heute schwer zu sagen, aus welchem Ort ein bestimmtes Glas stammt, weil die Glastradition sich in dieser Zeit auf beiden Seiten des Mittelmeers analog entwickelte. Später liess die Migration der Glasmacher nach und die Glasproduktion an der westlichen Seite des Mittelmeers verändert sich und unterscheidet sich von der Produktion im Osten (4. Jh.). Die grössten Unterschiede sind in den Formen zu sehen. Im Westen dominiert dann dierheinische Produktion, v.a. in Köln am Rhein entwickeln sich die schon bekannten Motive aus dem Osten: geschmolzene Schlangenfäden (oft mit Farbenkontrast) und andere Arten der Auflagen. Im 4.-5. Jh. kann man auch in der weströmischen und rheinischen Produktion einige Veränderungen sehen, die von dem Niedergang der römischen Kultur abhängen. Im Allgemeinen kann man sagen, dass die römische Glastechnologie bis in das erste Jahrhundert unserer Zeit überlebte. Im1. Jh. nach Chr.kommt es zu einer rasanten Abkehr von der antischen Technologie - Sodaglas verschwindet, der Grund dafür war ein Mangel an importierten Rohstoffen und es erscheint das Kaliglas, bei dem bei der Herstellung Pottasche aus Waldbeständen verwendet wird. Diese technologische Veränderung kennzeichnet den grundsätzlichen Unterschied des Glases aus den Hinteralpen von dem Glas aus dem Mittelmeerraum. Im Norden entwickelt sich aus dem Altfränkischen Glas das sog.Waldglas- Kaliglas der grünlichen Farbe, während die italienische Produktion treu dem Sodaglas blieb.
Glas des Hoch - und Spätmittelalters
Das Hohlglas aus der Zeit der karolingischen und der früheren ottonischen Herrschaft findet man in den archäologischen Funden fast gar nicht. Eine Ausnahme ist das sog.Vikinger Glasaus Skandinavien, England und aus den Niederlanden. Schriftlichen Quellen nach bleiben Zentren der Glasproduktion also Glashütten in Nordgallien, im Rheinland und von hier aus wird das Glas nach England, Holland, Norddeutschland und Skandinavien exportiert. Auch das Waldgebiet an der französich-belgischen Grenze gehörte zu den Orten, wo die mittelalterliche Glasproduktion direkt mit der antischen Tradition verbunden war. Vom9. bis zum 12. Jh. wurde die europäische Glasherstellung direkt an Kloster gebunden, hier wurden die technologischen Kenntnisse des Mittelalters bewahrt. Zur fortschreitenden Entwicklung des europäischen Glaswesens kommt es am Ende des 12. Jhs. und vor allem im13. Jh.Die Wurzeln dieser Umwandlung muss man schon im 11. Jh. suchen , als es dank den Kreuzfahrten zur Wiederaufnahme der kulturellen und geschäftlichen Verbindungen kommt. Einflüsse aus dem Orient findet man bei den Gefässen aus dem 11. und 12. Jh., die charakteristische kugelförmige und dünne hohe Flaschenhälse haben. Solche Flaschen hat man bei den Ausgrabungen in Italien und Südfrankreich gefunden. Im 12.und 13. Jh. enstehen in West- und Mitteleuropa nicht nur Klosterhütten, sondern auch sog. Waldhütten. Die Waldhütten sind in den stark bewaldeten Gebieten gegründet, die Glasmacher fanden hier genug Holz für die Glasproduktion und so werden unbewohnte Gebirgsgebiete besiedelt. Geografische Bedingungen für die Waldhütten findet man vor allem in Lothringen, Hessen, Thüringen und im Böhmer Wald. DieWaldhüttenproduzierten in erster Linie das sog.Waldglas- grünliches Glas mit Luftbläschen und leichten Verunreinigungen in der Glasmasse. Die Verunreinigungen in der Glasmasse enstehen durch geringe Reinigung der Rohstoffe. Das13. und 14. Jh. bedeutet eine Blütezeit für die Entwicklung der verschiedenen Formen von Trinkgefässen. Es werden nicht nur verschiedene Varianten von Kuttrolf geblasen, sondern auch Pokale und Becher mit verschiedenen Dekoren. Am bekanntesten ist der sog.Krautstrunk. Es handelt sich um Glas mit grossen gegeneinander versetzten Nuppen. Der Krautstrunk wurde nach seinem Äusseren benannt, er erinnert an einen entblättterten Kohlstrunk. Für das16. Jh.und später sind die sog.Römertypisch. Die Bezeichnung Römer umfasst eine grössere Vielfalt von Formen. Es handelt sich immer um ein hellgrünes Glas mit gesponnenem Fuss und am Schaft gibt es versetzte Reihen mit Beerennuppen. Diese beiden Gefässe (Krautstrunk und Römer) werden ausschliesslich in der grünlichen Farbe produziert. Es hängt zweifellos mit der alten Behauptung zusammen, dass das grünliche Waldglas am besten beim Servieren von weissen Rheinwein geeignet ist.
Glas des 16.- 18. Jhs.
Nördlich der Alpen verbreitet sich seit dem16. Jh.schnell das sog.Waldglas. In West- und Mitteleuropa war es vor allem das Handwerk der Landbevölkerung und sie erzeugten die traditionellen Formen mit der traditionellen Technologie. Die Waldglashütten erzeugten das Glas in grünlicher Farbe mit vielen Luftblässchen. Diese Luftblässchen entstehen durch die Verunreinigungen der Pottasche und des Sandes. Seit der zweiten Hälfte des 16. Jhs. wird die Glasproduktion durch neu geborenen Stil derRenaissance beeinflusst. Im Vergleich zumvenezianischen Glas, wo die Produktion teuer war, ist dasWaldglasendwinglich für die Mehrheit der Verbraucher - vor allem für die mittlere Bürgerschaft. Die Formen des mitteleuropäischen Waldglases waren nicht nur in Deutschland und Böhmen sehr beliebt, sondern auch in Holand, Frankreich und in Skandinavien. Die Blütezeit des Walglases dauert bis zum Ende des 18. Jhs. Im16. Jh.gehören zu den häufigsten Formen derKrautstrunkin Form eines Fässchens, derRömerund walzenförmige hohe Pokale das sog.Stangenglas. Diese hohen Pokale, die mit verschiedenen Spiralen (sog. Bandwurmglas) oder mit horizontalen Fäden (Passglas) geschmückt wurden, gehörten zu den beliebtesten gesellschaftlichen Spielen. Das Glas machte die Runde um den Tisch und jeden wurde dank der Spirale und der Fäden ein bestimmter Inhalt zum Trinken bestimmt.Römersind Gläser mit gesponnenem Fuss. Sein Name stammt wahrscheinlich von dem Verb "roemen" - feiern. Dieses Glas diente ursprünglich als Glas für feierliche Trinksprüche. Nach dem Jahre 1630 werden die Römer mit Nuppen in der Form von Himbeeren verziert. Die Himbeeren entstanden durch ein Prägeeisen. Die Römer sind sehr oft auf Gemälden der holländischen Meister aus dem 16. und 17. Jh. zu sehen. Zu den kuriosesten Formen des deutschen Glases des 17. Jhs. gehört das sog.Daumenglas. Es handelt sich um ein Glas mit einigen Vertiefungen in die man die Finger reinstecken kann und der Trinker muss sich nicht fürchten, dass ihm das Glas ausrutscht.
Glasproduktion
Glas stellt man aus Sand her, wobei das Glas durch Sandschmelzen mit Hilfe alkalischer Schmelzmittel entsteht. Chemisch ist das Glas eigentlich ein Silikat. Seine Hauptbestandteile sind Kieseloxid und Natrium - und Kalioxid. Ein wieterer wichtiger Bestandteil ist auch Kalkoxid, der die o.g. Oxide stabilisiert. Die Eigenschaften des Glases verändern sich entsprechend seiner chemischen Zusammensetzung. DasSodaglasist weich und formbar, es erstarrt ziemlich langsam und deshalb kann man das Glas entsprechend lang und in komplizierten Formen bilden. Bei demantischen Glashandelte es sich immer um dieses Sodaglas. Auch das sog. venezianische Glas war Sodaglas. Im Norden von den Alpen wurde dieses als Schmelzmittel benutzt und zwar seit dem 11. Jh. DasKaliglasist hart. Am Anfang wurde es nur für die Produktion desWaldglasesbenutzt aber nach dem die Technologie der Reinigung und Entfärbung erfunden wurde, hat man es auch für das Kristallglas verwendet.DieNaturfarbedes Glases ist dank den verschiedenen Beimischungen (vor allem Eisenverbindungen) grünlich oder bräunlich. Erst durch Reinigung und Entfärbung gewinnt man klares Glas. Oxide der Metalle geben dem Glas verschiedeneFarbtöne: Eisen je nach Wertigkeit (Valenz) färbt das Glas grün, blau und gelb, Kuprum grün, blau und rot, Cobalt blau, Gold rubinrot, Nikl und Mangan violett, Chrom und Uran grün, Kadmium und Schwefel gelb.DieGlasbläserpfeifewurde schon in den Jahrhunderten vor der Geburt Jesus Christus erfunden und blieb bis heute das grundlegende Handwerkzeug zur Glasherstellung. Wahrscheinlich können wir uns dafür bei den Phöniziern bedanken, dank ihnen wurde die Glasproduktion schneller, leichter und billiger. Der Glasmacher schöpft die flüssige Glasmasse auf die hohle Glasbläserpfeife und durch abwechselndes Blasen und Walzen auf einer Marmorplatte entstand ein Kolben. Der Kolben wurde dann immer angewärmt, damit es geschmeidig bleibt. Auf den Kolben wurde weitere Glasmasse geschöpft und mit Hilfe verschiedener Werkzeuge geformt. Der Kolben kann man mit farbigen Glas beschichten, in eine kleine Fensterscheibe aufziehen oder in eine zweiteilige Holzform blasen. Ein sog.optisches Dekorentsteht, wenn man den Kolben in eine Rippenform oder in eine andere reliefgeschmückte Form bläst. Bei dem Glasofen wird das Glas mit geschmolzenen Fäden, gespaltenen Blättern, Flügeln, Nägeln usw. geschmückt.
Glashütten
Am Anfang wurde das Glas in geöffneten Grubenhütten geschmolzen, aber bald wurde die Technologie vervollkommnet und schon in der Zeit römischen Reiches sind sehr ausgezeichnete Glashütten bekannt. In den ältesten Zeiten wurde das Glas geformt durch Aufrollen auf Lehmkern, Schmelzen von Stückchen der Farbstäbchen (Mosaikglas), Ausschleifen aus einem Glasstück und Schmelzen des Glassplittes in eine zweiteilige Form oder durch sog. verlorenes Wachs. Erst im1. Jh. v. Chr. wurde das Glasbläserpfeife erfunden. Die ersten Nachrichten über das Glashandwerk in Böhmen stammen aus der ersten Hälfte des13. Jhs.Die Existenz der ältesten Glashütten auf unserem Gebiet beweisen teils die schriftlichen Urkunden und teils Oberflächenvorsprünge im Terrain. Dank den Oberflächenvorsprüngen gewann man viele Nachweise über Einrichtung undOrganisierung der Hütten, über ihre Lage in der Landschaft, über die Art des Blasens und der Glasbearbeitung. Die Glashütten brauchten für ihre Produktion eine ausreichende Menge von Rohstoffen. Sie entstanden deshalb sehr oft in unbewohnten Bergebieten, wo es genug Holz gab. Jede Hütte wurde zumeist aus drei Glasöfen verschiedener Grösse gebildet. Der grösste Ofen war der Schmelzofen und die zwei kleineren waren wahrscheinlich Hilfsöfen. Ihre genaue Funktion ist nicht bekannt, aber vielleicht waren sie für das Temperieren von Pfannen, für das Abkühlen der Erzeugnisse oder zum Trocknen des Glassteines verwendet. Die ältesten Glasöfen waren einfache Objekte mit einem kreisförmigen Grundriss, die aus Stein und Lehm gebaut wurden. Ihr oberer Teil war gewölbt und er enstand durch Stampfen von Lehm, der von guter Qualität und feuerfest war. Im 13. Jh. hatten die Hütten einfache Holzvordächer. Bei den Funden gibt es auch Bruchstücke der technischen Keramik - Bruchstücke von Pfannen, Schüsseln zum Glasschmelzen, kleine Pfannen zum Schmelzen von kleineren Mengen farbigen Glases, das zur Dekoration verwendet wurde. Das Werkzeug der alten Glasmacher im 13. Jh. ist unbekannt, es wurden nur Fragmente von Glasbläserpfeifen gefunden. Im 14. Jh. ändert sich der Grundriss der Öfen, er wird hufeisenförmig, später rechteckig. Die Glasmacher vervolkommneten immer die Öfen, sie wollten beste Temperatubedingungen erzielen, es beeinflusst die Dauer der Schmelze und Höhe der Temperaturen und damit auch die Qualität des Glases. Auch trotz diesen Änderungen bleibt der technologische Prozess des Glasblasens in seinem Grundprinzip immer der gleiche, er verläuft nur auf höherem technologischen Niveau.
Interessantes
Von den mittelalterlichen Gemälden (z.b. Entwürfe wie Das letzte Abendessen, Szenen aus dem Leben der Heiligen oder der Ritter) geht hervor, dass am Tisch sehr oft von den Flaschen getrunken wurde. Sehr populär warKuttrolf, es handelt sich um eine Flasche, bei der der Hals aus mehreren (meistens zwei oder drei) Röhrchen gebildet ist. Die Flasche findet man vor allem in Deutschland. Sie ging aus den syrischen Mustern hervor. In der Antike wurden diese Fläschchen als Flakons für Parfum vervendet und in Südeuropa blieb diese Funktion bis zum Mittelalter und zur Renaissance. Zum ersten mal wird Kuttrolf in Deutschland im 12. Jh. (Jahre 1220) erwähnt und zwar im Epos von Willehalm als "gutteral" für Wein. Im 14. Jh. sind diese Gefässe auch in Frankreich bekannt, im 16. und 17. Jh. wurden sie in Venedig produziert. Nirgendwo erfreuten sie sich einer solchen Beliebheit wie in Deutschland, wo eine Massenproduktion von Kuttrolfs im Spessart um 1409 nachgewiesen wurde. Im 17. und 18. Jh. wurde sie laufend in Mitteleuropa verwendet sie dienten als Flaschen für Wein und Schnaps. Man findet Kuttrolf sogar noch im 18. und 19. Jh. im Volksglas.